Von November 2023 bis Mai 2024 habe ich am Chinese Language Department der National Taiwan University (NTU) in Taipei Chinesisch gelernt. In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen und Eindrücke mit euch teilen.
Warum ich mich entschieden habe, Chinesisch zu lernen
Obwohl ich schon seit einiger Zeit in Taiwan lebe, habe ich nie richtig Chinesisch gelernt. Es blieb immer bei halbherzigen Versuchen, und der Gedanke „Irgendwann mache ich es richtig“ schwebte ständig im Raum. Doch dann hatte ich endlich die Zeit und entschloss mich, die Sache ernsthaft anzugehen.
Warum das CLD?
In Taiwan gibt es viele Sprachschulen, besonders in Taipei. Die Schule an der National Taiwan Normal University (NTNU) ist wahrscheinlich die bekannteste. Ich habe auch kurz überlegt, dort zu lernen, aber ein guter Freund hatte bereits am CLD, dem Chinese Language Department der NTU, Chinesisch gelernt und war begeistert. Er hat mich überzeugt, dass das CLD die bessere Wahl für mich sei. Also, warum nicht? Und ich muss sagen, ich habe diese Entscheidung nicht bereut.
Das CLD ist Teil der NTU, bietet aber kein klassisches Studium, sondern reine Sprachkurse an, die speziell für internationale Schüler konzipiert sind. Die Kurse sind intensiv, und die Klassen sind bewusst klein gehalten, mit maximal acht Schülern. Im Wintersemester 2023 waren wir sogar nur zu fünft, was eine sehr persönliche Lernatmosphäre schuf.
Ein Semester umfasst etwa 12 Wochen oder 3 Monate Unterricht, verteilt auf fünf Tage die Woche, jeweils 3 Stunden pro Tag. Die Kosten für ein Semester betragen ca. 40.000 NT$, was etwa 1.100 Euro entspricht. Zusätzlich fallen Kosten für Lehrbücher und andere Unterrichtsmaterialien an, die sich auf 1.000 bis 2.000 NT$ belaufen können.
Kursaufbau und Lehrmethoden
Nach der Anmeldung musste ich einen Einstufungstest machen und wurde ins zweite Semester eingestuft. Die Einstufung erfolgt oft etwas höher, als man es selbst einschätzt, was am Anfang etwas herausfordernd sein kann. Aber keine Sorge: Zu Beginn des Semesters hat man eine Woche Zeit, um sich verschiedene Klassen anzuschauen und diejenige zu finden, die am besten zu einem passt.
Zu Beginn des Semesters hat man eine Woche Zeit, um sich verschiedene Klassen anzuschauen.
Der Unterricht am CLD findet von Montag bis Freitag statt, jeweils für drei Stunden pro Tag. Es gibt verschiedene Unterrichtszeiten: Morgens ab 8:20 Uhr, mittags und nachmittags. Die Morgenkurse sind am beliebtesten, aber da ich bereits im zweiten Semester war, konnte ich mir eine Zeit aussuchen, die für mich am besten passte.
Die Unterrichtsmaterialien bestehen aus einem Lehrbuch, einem Arbeitsbuch, einem Übungsbuch für Schriftzeichen sowie zusätzlichen Materialien, die von der Lehrerin bereitgestellt wurden. Besonders erwähnenswert ist, dass wir jede Woche ein Diktat und eine Klausur hatten, die den Lernstoff festigten und uns auf Kurs hielten.
Man hat die Wahl, ob man traditionelle Schriftzeichen (Langzeichen) oder vereinfachte Schriftzeichen (Kurzzeichen) lernen möchte. Das Unterrichtsmaterial und die Prüfungen werden entsprechend angepasst. Kurzzeichen sind besonders wichtig für diejenigen, die später einen HSK-Test ablegen möchten. Zur Romanisierung wird ausschließlich Hanyu Pinyin verwendet. Wer möchte, kann zusätzlich Zhuyin Fuhao (Bopomofo) lernen. Der Unterricht am CLD bereitet nicht direkt auf den HSK- oder TOCFL-Sprachtest vor, aber die Semester entsprechen grob der HSK-Einstufung. Beispielsweise sollte jemand, der das 4. Semester abgeschlossen hat, problemlos HSK 4 oder 5 erreichen können.
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Lehrkräfte – Meine Erfahrung mit einer hervorragenden Lehrerin
Ich hatte das Glück, zwei Semester lang von derselben Lehrerin unterrichtet zu werden. Sie sprach von Anfang an ganz normales Chinesisch, ohne es für uns zu vereinfachen, was am Anfang eine Herausforderung war. Doch genau das half mir, mich schnell zu verbessern. Ihre klare und deutliche Aussprache war ein großer Vorteil, und sie passte ihr Vokabular immer an unseren Lernfortschritt an. Je mehr wir lernten, desto komplexer wurde auch ihre Sprache im Unterricht.
Was mir besonders gefiel, war ihr fundiertes Wissen über die Grammatik und die Herkunft der Schriftzeichen. Sie hatte die Fähigkeit, uns nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur und die tiefergehenden Bedeutungen der Zeichen zu vermitteln. Manchmal driftete sie im Unterricht ein wenig ab und erklärte uns die historische Entwicklung eines Schriftzeichens, was den Unterricht sehr lebendig und interessant machte.
Die Lernumgebung – Potenzial für Verbesserungen
Die Klassenzimmer am CLD waren in Ordnung, obwohl sie eine Renovierung vertragen könnten. Einige Räume wurden bereits modernisiert und hatten vernünftige Tische und bequeme Bürostühle. In anderen Räumen jedoch gab es noch die alten Stühle aus Hartplastik mit angebautem Tischchen, die nicht sehr praktisch waren. Ich habe oft zwei Stühle beansprucht, um genug Platz für mein Lehrmaterial zu haben.
Die technische Ausstattung war gut: Alle Zimmer hatten Projektoren, Leinwände und Whiteboards, und einige neuere Räume waren sogar mit Großbildschirmen ausgestattet. Der kleine Aufenthaltsraum im zweiten Stock bot nur begrenzte Möglichkeiten für soziale Interaktionen, aber die Getränke- und Snackautomaten im Eingangsbereich waren ein beliebter Treffpunkt.
Kulturelle Aktivitäten – Ein kleiner Einblick in die taiwanesische Kultur
Während meiner Zeit am CLD gab es einige kulturelle Aktivitäten, die das Lernen bereicherten. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir der Kalligrafie Kurs und das Event, bei dem wir Tangyuan, eine traditionelle taiwanesische Süßspeise, probierten. Zu chinesischem Neujahr lernten wir die Traditionen rund um die roten Umschläge und Neujahrssprüche kennen und beschrifteten unsere eigenen Umschläge. Im Frühjahrssemester gab es sogar eine Veranstaltung über chinesische Oper, bei der Darsteller etwas vorführten. Diese Aktivitäten gaben uns einen kleinen Einblick in die Kultur, waren aber eher kurze Anekdoten als tiefgehende Erklärungen.
Erfahrungen und Herausforderungen – Ein anspruchsvoller, aber lohnender Weg
Der Kurs am CLD war definitiv anspruchsvoll. Das Lernpensum und der Prüfungsdruck waren hoch, und es war notwendig, 100% bei der Sache zu sein. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als hätte man nach drei Stunden Unterricht am Vormittag den Rest des Tages frei, war dies bei weitem nicht der Fall. Der Kurs war ein Vollzeitjob, und man musste den ganzen Tag mit Chinesisch beschäftigt sein, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Der Kurs war ein Vollzeitjob, und man musste den ganzen Tag mit Chinesisch beschäftigt sein.
Trotz des hohen Tempos habe ich enorm viel gelernt. Mein Chinesischniveau hat sich in den sechs Monaten am CLD massiv verbessert. Allerdings stellte das hohe Tempo auch eine Herausforderung dar. Es blieb oft wenig Zeit, um das Gelernte zu wiederholen und zu festigen, was dazu führte, dass ich mich manchmal überfordert fühlte. Dennoch war der Kurs insgesamt sehr gut, und ich bin froh, ihn gemacht zu haben.
The annoyance of inconsistent romanization in Taiwan
Hanyu Pinyin is the standard romanization for Chinese, except in Taiwan. Here a mish-mash of different romanization systems exist, creating real problems.
Fazit – Eine intensive, aber lohnenswerte Erfahrung
Der Intensivkurs am CLD ist eine hervorragende Wahl für alle, die Chinesisch schnell und effektiv lernen wollen. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass der Kurs anspruchsvoll ist und viel Zeit und Einsatz erfordert. Für diejenigen, die nicht so intensiv lernen möchten, könnten weniger intensive Kurse an anderen Sprachschulen eine Alternative sein. Nach diesen sechs Monaten am CLD werde ich eine Pause einlegen, plane aber, mein Chinesisch an einer anderen Sprachschule in einem etwas entspannteren Tempo weiter zu verbessern.
Wer sich für einen Kurs an der Chinese Language Division an der National Taiwan University interessiert, findet alle Informationen hier.
Danksagung
Ich möchte mich vor allem bei meiner Lehrerin 劉燕凌 (Yan-Ling Liu) bedanken, die den Unterricht trotz des intensiven Lernpensums sehr engagiert und abwechslungsreich gestaltet hat. Ohne ihre Unterstützung wäre der Kurs deutlich schwieriger gewesen. Wenn jemand Fragen hat oder mehr erfahren möchte, meldet euch gerne bei mir!
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Toller Bericht, der hoffentlich vielen Leuten, die Chinesisch lernen möchten bei der Entscheidung helfen wird.
Ich kann mir vorstellen, dass die Zahl der Sprachstudenten in Taiwan in Zukunft zunehmen wird, weil China aus vielen Gründen wohl nicht mehr so attraktive wie vor ein paar Jahren ist.
Interessant wäre für mich noch zu wissen, ob dort mit BoPoMoFo gelernt wurde oder Hanyu Pinyin und wieviel der Spass gekostet hat.
Hallo Jens, vielen Dank für deinen Kommentar. BoPoMoFo wird nicht direkt unterrichtet aber in den Lehrbüchern ist es immer neben den Schriftzeichen. Wenn man will, kann man es dort auch lernen. Alles ist mit Hanyu Pinyin. Man hat auch die Wahl, ob man traditionelle Schriftzeichen oder die vereinfachten lernen will. Das ist für diejenigen interessant, die später HSK Test machen wollen.
Ein Semester entsprechen 180 Unterrichtsstunden und kostet um die 40.000 NT$. Kosten für Bücher kommen aber noch dazu. Das variiert je nach Semester und welche Bücher verwendet werden, man kann aber mit einigen hundert NT bis etwa 2000 NT für die Bücher rechnen.
Ich werde die Infos noch in den Artikel einfügen, da sie doch recht hilfreich sind und man sie nicht in den Kommentaren suchen braucht.
40.000 € ist ja noch ein fairer Preis.
Mir fällt dazu noch ein, dass ich vor 2 Jahren hier in meiner neuen Wahlheimat Portugal einen Sprachkurs A1&A2 belegt habe. 150 Stunden in 2 Semestern; der Kurs war nicht nur kostenlos (von der EU gesponsert) man bekam sogar noch ein paar 100 € bezahlt dafür.
Die Argumentation ist, das man mit Sprachkenntnissen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat.