Der Titel klingt vielleicht nach einer historischen Abhandlung, aber es geht hier um den Abriss der Hochstraße an der Zhongxiao West Road, die in den letzten Jahren als zusätzliche Rampe zur Zhongxiao Brücke fungierte. Diese Hochstraße hat 40 Jahre lang das historische nördliche Stadttor Beimen nahezu komplett eingeschlossen.
Das alte Taipeh hatte insgesamt fünf Stadttore
- Beimen (Nord-Tor 北門 oder Cheng-En Gate 承恩門)
- Dongmen (Ost-Tor 東門 oder Jing-Fu Gate 景福門)
- Nanmen (Süd-Tor 南門 oder Li-Zheng Gate 麗正門)
- Xiaonanmen (Kleines Süd-Tor 小南門 oder Chong-Xi Gate 重熙門)
- Ximen (West-Tor 西門 oder Bao-Cheng Gate 寶成門)
Ximen wurde 1906 abgerissen und nicht wieder aufgebaut. Dongmen, Nanmen und Xiaonanmen wurden 1966 auch abgerissen und dann im nord-chinesischen Stil neu aufgebaut. Nur Beimen ist noch im Originalzustand erhalten.
Beimen befindet sich etwa 500 Meter westlich vom heutigen Hauptbahnhof. Bis 1989 verlief die Eisenbahnstrecke oberirdisch und nur wenige Meter nördlich von Beimen. Da in den 1970er Jahren der Verkehr in Taipeh immer mehr zunahm, wurde 1976 eine Straßenbrücke über die Eisenbahngleise gebaut. Diese Brückenkonstruktion führte direkt am Stadttor vorbei, wodurch das Tor nahezu komplett eingeschlossen wurde.
Nachdem die Eisenbahnstrecke unterirdisch verlegt wurde, gab es eigentlich keinen Grund mehr für die Brücke. Die Stadtverwaltung hat sich aber mit einer Umgestaltung dieser Gegend irgendwie schwer getan. Zwar wurden irgendwann in den 1990er Jahren die nördliche und südliche Brücken abgerissen, dennoch blieb die Hauptbrücke für viele Jahre stehen und blockierte nicht nur den Blick auf das alte Stadttor sondern auch auf andere historische Gebäude.
Neuer Bürgermeisters brachte frischen Wind in die Stadtplanung
Mit der Wahl des neuen Bürgermeisters Ko Wen-Je (柯文哲) 2014, sollte endlich auch frischer Wind in die Stadtplanung kommen. Und nach 40 Jahren war es dann soweit, die verbleibende Straßenbrücke wurde abgerissen! In der Woche des Chinesischen Neujahrsfestes, vom 7. Februar bis 12. Februar, wurde die Brücke ruck zuck abgerissen. Hoffentlich haben die Bauarbeiter einen schönen fetten Bonus für die Feiertagsarbeit bekommen.
Da ich schon einige Jahre in Taipeh lebe, kenne ich diese Ecke ziemlich gut. Die Kamerastraße ist gleich um die Ecke. Und jedes Mal habe ich mich über diese furchtbar hässliche Hochstraße geärgert, weil sie nicht nur das Stadttor völlig eingeengt hat, sondern weil auch der gesamte Platz zerstört wurde. Daher war der Abriss der Straße für mich von großem Interesse.
Den Beginn der Abrissarbeiten konnte ich nicht beobachten, da ich zum Neujahrsfest nicht in Taipeh war. Bei meiner Rückkehr bin ich gleich dorthin gefahren und hab mir die restlichen Arbeiten angesehen und photographisch dokumentiert.
Die Stadt hat die Aktion wohl als großen Event geplant. Denn es gab nicht nur einen Infostand, an dem man etwas über die Geschichte Beimens, die neue Straßenführung und die Neubebauung des Areals lernen konnte, sondern auch eine ziemlich große Aussichtsplattform von der man das Spektakel mitverfolgen konnte. Es wurden sogar Ferngläser bereitgestellt.
Natürlich gab es auch Stempel zu sammeln und wer wollte, konnte sich auf der Plane verewigen.
An dem Tag waren zu meiner Überraschung viele Schaulustige, Fotografen und Fernsehteams da. Hab nicht erwartet, daß der Abriss doch soviel Menschen hier interessiert.
Am besten hat mir diese Gruppe gefallen:
Es gab auch etwas Neues für mich zu sehen. Als einer der Autokräne abgebaut wurde, hat man einen riesigen firecracker belt (wie nennt man sowas eigentlich auf Deutsch?) angehangen und abgebrannt. Bei Tempel-Paraden oder auch Chinesisch Neujahr hab ich oft diese firecracker gesehen, aber noch nie so riesige. Auf dem Foto sieht man es leider nicht deutlich, aber der war mehrere Meter lang.
Der Abriss hat die historische Gegend aufgewertet
Inzwischen sind das Tor und der gesamte Platz wieder hergestellt und zugänglich. Beimen hat sich rasch zu einem beliebten Ziel entwickelt. In den letzten Tagen war ich häufiger dort und es strömen zahlreiche Besucher zu dem neuen alten Tor. Seit dem die Hochstrasse weg ist, hat sich der Eindruck dieses Platzes sehr stark ins positive gewandelt. Der Abriss war, meiner Meinung nach, einer der besten Entscheidungen der Stadtverwaltung in den letzten Jahren. In der direkten Nachbarschaft von Beimen gibt es zahlreiche historische Gebäude und zusammen bilden sie einen wunderbaren Gegenpol zum modernen Xinyi District im Osten Taipehs.
Taipeh Beimen Post. Das Gebäude wurde 1930 fertiggestellt und in den 2000er nach jahrelanger Restaurierung 2013 wieder eröffnet.
endlich. wird auch zeit. ein richtiger schritt in die richtige richtung. an vielen stellen in taipei kann man ähnliche entwicklungen, die historischen gebäude nicht abzureissen oder zu vergewaltigen, beobachten. erst vor kurzem entdeckte ich nordöstlich vom 101 eine siedlung aus den 50er jahren in dem zustand, als die KMT sich nach taiwan zurückzog. oder im norden das alte fabrikgelände. es gibt noch so viele schätze zu heben!