Vom 18. bis 23. September 2022 fand die 7. International Marine Debris Conference (7IMDC) in Südkorea statt. Neben mir nahmen auch zahlreiche Kollegen und Freunde aus Taiwan an der Konferenz teil. Die Vorfreude war groß, bis zu einem unerwarteten Vorfall. Kurz vor Beginn der Konferenz wurden die taiwanischen Teilnehmer plötzlich ausgeladen, ihre Registrierungen storniert, und die Konferenzgebühren zurückerstattet (immerhin). Als ich davon erfuhr, war ich schockiert und verwirrt. Warum wurden plötzlich alle Taiwaner ausgeladen?
Der Grund liegt bei den Vereinten Nationen. Die Konferenz wird vom UNEP (United Nations Environment Programme) mitorganisiert. Auf Nachfrage beim koreanischen Organisator wurde uns mitgeteilt:
Please note that the 7IMDC is co-hosted by a United Nations organization and as such the conference is only able to accept identity documents issued by the 193 Member States of the United Nations.
Bitte beachten Sie, dass die 7IMDC von einer UN-Organisation mitorganisiert wird und daher nur Ausweisdokumente akzeptiert werden, die von einem der 193 Mitgliedsstaaten der UN ausgestellt wurden.
Und wer ist nicht in der UN? Wer war einmal Mitglied und darf nun nicht mehr teilnehmen? Genau. Taiwan! Oder genauer gesagt, die Republik China. Somit werden die Ausweisdokumente der Republik China (Taiwan) nicht anerkannt, und daher durften die taiwanischen Kollegen sich nicht registrieren und nicht teilnehmen.
Diese Situation ist in der Tat seltsam. Bei der vorherigen Konferenz (6IMDC) im Jahr 2018 in San Diego konnten Taiwaner ohne Probleme teilnehmen. Es ist auch merkwürdig, dass die bereits registrierten Teilnehmer so kurz vor Beginn der Konferenz ausgeschlossen wurden. Alle hatten bereits ihre Abstracts eingereicht, das Peer-Review durchlaufen und sogar Poster und Vorträge hochgeladen.
Es fällt auch auf, dass die Aufforderung, ein Ausweisdokument bei der Registrierung vorzulegen, nicht an alle Teilnehmer ergangen ist, sondern ausschließlich an die taiwanischen Teilnehmer.
Warum haben die Organisatoren dies nicht früher bemerkt? Oder wurde möglicherweise Druck seitens der Volksrepublik China ausgeübt, um die Organisatoren in Korea daran zu erinnern, dass Taiwan nicht in den Vereinten Nationen vertreten ist? Haben die Organisatoren deshalb kalte Füße bekommen und schnell gehandelt, so wie es Unternehmen oft tun, wenn China sich äußert?
Die Hintergründe bleiben unklar und werfen Fragen auf. Es bleibt ein seltsamer Beigeschmack.
Eine interessante Passage in den Hinweisen zur Gestaltung von Postern und Vorträgen lautet:
Please avoid including any sensitive or controversial terms in your presentations, including any names of locations that are the subject of disagreement between Member States of the United Nations.
Bitte vermeiden Sie in Ihrer Präsentation die Verwendung von sensiblen oder kontroversen Begriffen, einschließlich Namen von Orten, die Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind.
Dies wirft ebenfalls Fragen auf, über die man nachdenken kann.
Meiner Meinung nach widerspricht diese gesamte Angelegenheit dem Geist der Vereinten Nationen. Bei dieser Konferenz geht es nicht um Politik, sondern um Meeresverschmutzung, Umweltschutz, Klimaschutz und wissenschaftlichen Austausch. Dies sind Themen, bei denen die Nationalität oder Herkunft der Teilnehmer keine Rolle spielen sollte. Ich hoffe, die Organisatoren finden einen Weg, taiwanischen Teilnehmern doch die Teilnahme zu ermöglichen. Am Ende sollte es bei solchen Veranstaltungen nicht darauf ankommen, woher die Teilnehmer stammen oder welcher Nationalität sie angehören.
Untenstehend der Schriftverkehr mit den Organisatoren und UNEP. Die Emails wurden mir von meinen Kollegen in Taiwan geschickt. Adressen und Namen habe ich wegen Datenschutz unkenntlich gemacht.
Nachtrag vom 15. September 2022:
Im Nachtrag vom 15. September 2022 habe ich erfahren, dass der Veranstalter die Absage für die taiwanischen Teilnehmer zurückgenommen hat. Sie dürfen nun doch an der Konferenz teilnehmen. Die Gründe für diesen Sinneswandel sind mir jedoch nicht bekannt.
Zum Newsletter anmelden und keine neuen Beiträge mehr verpassen!
Bild von Jens Junge auf Pixabay